Einer meiner Lieblingsausflüge auf meiner Islandreise 2019 war die Wanderung zum Bruarfoss.
Die letzten Tage der Reise verbrachte ich in einem süßen Häuschen mitten im Golden Circle. Die bekannten Sehenswürdigkeiten wie Gullfoss, Thingvellir, Geysir und dergleichen sind schon abgegrast. Aber den Wasserfall habe ich noch nicht gesehen. Bin ich es doch mittlerweile gewohnt, dass alle Sehenswürdigkeiten direkt an der Straße liegen.
Am ersten Tag in der Gegend habe ich zwar mal ein kleines Schild gesehen, aber so richtig einladend war die Parkfläche – Parkplatz wäre wirklich zu viel gesagt – nicht. Die Berichte im Netz sprechen von einer langen Anfahrt, unwegsamen Gelände und Wegen über Privatgrundstücke. Und doch – der Wasserfall ist nur wenige Autominuten von meiner Hütte entfernt und ich habe mir fest vorgenommen, in diesem Urlaub eine richtige Wanderung zu machen.
Gleich zu Beginn geht es quer durch einen tiefen Bach
Also packe ich an diesem letzten Tag im Süden meine Wanderausrüstung und mache mich auf den Weg. Der Parkplatz an der Straße ist wieder wenig frequentiert und spontan nehme ich die Wanderstöcke mit. Die ersten zehn, fünfzehn Minuten komme ich mir superblöd vor, ebenerdig auf einer Wiese an einem kleinen Fluss entlang. Wie immer begegne ich jungen Menschen in Turnschuhen – weißen Stoffturnschuhen – und T-Shirts. Ich trage meine dicken Wanderstiefel und eine Regenjacke unter meinem wasserdichten Wasserrucksack (in Island muss man immer auf jedes Wetter gefasst sein!). Dazu die Stöcke. Die Gruppe Tweens überholt mich natürlich mit Leichtigkeit.
Aber schon nach kurzer Zeit komme ich an einen Bach, der gut zwei bis drei Meter breit ist. Zwar sehr flach und mit einigen großen Steinen mittendrin, aber man muss schon ein wenig hüpfen, um die zu treffen. Wie das wohl die junge Frau mit den weißen Stoffturnschuhen gemacht hat? Ich weiß es nicht, denn sie waren alle schneller als ich und schon ein ganzes Stück weiter. Ich nehme mir Zeit und weiß seit diesem Tag, dass meine Schuhe wasserdicht sind.
Das Gelände wird danach nur schlechter. Ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht durch einen kleinen Wald laufe. Der Weg, den viele Füße vor mir getreten haben, besteht mehr aus Löchern in der Landschaft, in der die Vegetation aufgegeben hat. Aber es geht bergauf, bergauf und gefährlich nahe an dem Abgrund zu dem Fluß, der immer stärkere Stromschnellen aufweist. Ich bin froh, dass ich meine Stöcke dabei habe. Und nach einem überraschend kurzen, steilen Aufstieg ist er zu sehen – der Wasserfall.
Die jungen Amerikaner von vorhin sind schon weit draußen auf den Steinen, die über den herabstürzenden Wassermassen thronen. Mir sieht das zu gefährlich aus und mache Fotos vom Ufer aus, ebenso wie ein junges Pärchen aus Italien. Netterweise bieten sie mir auch an, ein Foto von mir mit meinem Handy zu machen. Völlig verschwitzt und feuerrot im Gesicht von der gleißenden Mittagssonne muss ich es als Erfolgsfoto werten. Eine Schönheit ist es nicht.
Plötzlich sehe ich aus dem linken Augenwinkel etwas Helles. Eine Pudelmütze. Eine der jungen Amerikanerinnen sitzt weit vorne auf einem der Steine mitten im Wasserfall und hat sich ein neues Outfit angezogen – dazu gehört auch die hellblaue Pudelmütze. Klar, Foto für Social Media. Ich bin zwiegespalten. Warum sich für ein vorher geplantes Selfie extra etwas anziehen, was wettertechnisch keinen Sinn macht? Andererseits: Ohne Menschen wie sie hätte ich diesen Ort nie gefunden. Aber halt! Die Geschichte ist noch nicht zu Ende.
Wasserfälle gibt es in Island sehr viele
Nachdem ich mir noch die Weisheit der jungen Männer anhören kann, dass sie das Wasser ganz schön kalt finden – wer hätte es gedacht, wo es doch glasklares Gletscherwasser, also direkt vom Eis, ist – plaudere ich noch mit den anderen beiden Wanderern. Denn irgendwie sieht der Wasserfall noch nicht so aus wie auf den Fotos, die wir gefunden hatten im Netz. Der Fluss geht weiter bergauf, ebenso der ausgetretene Pfad am Ufer. Und der Mann hat etwas von drei Wasserfällen gehört.
Also gesagt, getan, wir laufen weiter bergauf. Wobei das noch ein sehr angenehmer Weg ist. Und nach nicht allzu langer Zeit kommt der nächste Wasserfall. Noch blauer schimmert das Wasser, aber es fällt jetzt flacher. Also immer noch nicht der von dem besonders schönen Bild im Netz.
Weiter oben wird der Fluss plötzlich immer flacher und der ausgetretene Pfad immer schwächer. Ist da noch ein Wasserfall oder wanke ich hier nur noch querfeldein? Weitere fünfzehn Minuten lang ist nicht klar, ob es diesen dritten Wasserfall gibt und wie ich hier durch das Gestrüpp kommen soll.
Eisblaues Türkis und ein Hinweisschild
Doch am Ende liegt er vor mir: der Bruarfoss. Genau so schön wie auf Social Media. Weitläufig, eine Mischung aus gletscherblauweißem Wasser, saftigem grünen Gelände und schwarzen Steinen. Es gibt sogar eine ausgebaute Fußgängerbrücke über den Fluss, recht neu gemacht, sodass man die Aussicht wirklich von allen Seiten wunderbar fotografieren kann.
Und wie soll es anders sein: auf dem Weg nach unten stolpere ich über Schilder zu den beiden vorherigen Wasserfällen, deren Namen ich nun auch kenne: Hlauptungufoss und Midfoss.
Da der letzte Abschnitt ein extrem steiler Aufstieg zwischen Sträuchern und Stock und Stein war, entscheide ich mich, die geteerte Straße, die den Weg zum Parkplatz ausweist, zu nehmen. Mit einem doch recht großen Umweg komme ich nach knapp einer Stunde und mit Blasen an den Füßen wieder am Auto an. Kaputt, aber glücklich. Knapp zwei-ein-halb Stunden unterwegs und sage und schreibe gute 7 Kilometer.
Praktisches
Hard Facts
- der Bruarfoss liegt im sogenannten Golden Circle, einem Gebiet im Südwesten des Landes.
- der Golden Circle ist schnell von Reykjavik zu erreichen und wird mit den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Islands oft als Einsteigerpaket angeboten
- in dem Gebiet ist es voller an den Aussichtspunkten als an abgeschiedeneren Orten Islands, dafür sind diese auch gut ausgebaut (Parkplätze, Restaurants, Toiletten, Wege sind angelegt etc.)
- der Bruarfoss liegt an der Strasse 37 zwischen Thingvellir und dem Geysir
Fun Fact
- Den ausgetretenen Pfad, den ich 2019 eingeschlagen bin, war noch quer über Privatbesitz und eher ein geduldeter Wanderweg als gewünscht.
- Inzwischen hat sich auch hier einiges getan, und der Weg scheint besser angelegt zu sein.
- Außerdem gibt es eine Strasse und einen Parkplatz, der direkt am Bruarfoss liegt. Näheres auf der offiziellen Seite des Bruarfoss.
2 Kommentare
Ich vermisse ein Foto der Pudelmütz-Influenzerin 😂
Ich habe in der Tat kein Foto – nur auf einem Video ist sie kurz zu sehen 😉 Vielleicht poste ich das mal auf Instagram als Begleitmaterial 😀