Die Gletscherlagune Jökulsárlón war auf dieser Reise auf meiner Wunschliste #1. Denn bei meinem ersten Besuch auf Island war ich nur im Norden und im Südwesten und war immer sehr neidisch auf die spektakulären Fotos, die ich von den blau schimmernden Eiskolossen gesehen hatte.
Kurz vor meiner Abreise habe ich noch ein kleines Islandreisebuch gelesen und der Autor sagte darin: es ist unmöglich, an der Gletscherlagune schlechte Fotos zu machen. Es hat mich einerseits beruhigt, aber andererseits doch nervös gemacht: was, wenn genau bei mir das Licht so schlecht steht, dass die Fotos nicht schön werden? Es war immerhin mein Hauptgrund für diese Reise.
Aber Spoiler Alert: er hatte recht! Schaut euch diese Fotos an, es ist wahrscheinlich wirklich nicht möglich, dort schlechte Fotos zu machen!
Die Anreise zur Gletscherlagune – gespickt mit Highlights
Doch von vorne. Mein Anreisetag nach Svínafell, circa 50 Kilometer östlich der Gletscherlagune, ist geprägt von blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Statt also nun die lange Strecke von Hella, wo ich am Vorabend nach der Landung übernachtet habe, schnell durchzufahren, halte ich logischerweise bei den wichtigen Sehenswürdigkeiten auf dem Weg an. Der Seljalandsfoss wird noch schnell in regenfester Bekleidung von hinten fotografiert, der Skógafoss begrüßt mich mit zwei großen leuchtenden Regenbögen, in Vík halte ich für den Fotostopp am Reynisfjara Strand und am Supermarkt, um mich für die nächsten Tage selbst zu versorgen.
Ab da ist komplettes Neuland für mich und es ist wie so oft in Island: als ob man einen neuen Planeten betritt. Unendliche Weite. Karges Nichts. Nach Kirkjubæjarklaustur kommt kilometerweise nur noch flaches Land, das vor knapp drei Jahrhunderten von einem immensen Vulkanausbruch platt gemacht wurde. Am Horizont immer vor mir: der Vatnajökull. Islands größter Gletscher.
Es juckt mir in den Fingern noch schnell abends los zur Lagune zu fahren. Doch nochmal 50 Kilometer weiter und dann wieder zurück ist mir dann doch zu viel. So lasse ich den Abend in dem charmanten Apartment in der Potato Storage ausklingen.
Meine Hosts sind Klaus, vor 30 Jahren aus Deutschland nach Island gezogen, und seine isländische Frau. Klaus ist außerdem Hobbyfotograf und hat ein Fotobuch über die Gletscherlagune gemacht, das ich mir am Abend dann zu Gemüte führe. In allen Wetterlagen und Jahreszeiten hat er die riesigen Eisbrocken fotografiert. Werde ich morgen auch Glück haben?
Anfahrt zur Gletscherlagune von Westen
Der nächste Morgen begrüßt mich mit Sonnenschein. Schnell mache ich mich auf den Weg, der noch fast eine Stunde beanspruchen wird. Kurz vor zehn Uhr sehe ich die ersten Hinweisschilder auf Parkplätze. So leer, wie sie sind, ist aber klar, dass dies noch nicht der Hauptparkplatz ist.
Doch die Neugier siegt, das Eis von allen Seiten sehen zu wollen. So klettere ich hinauf auf die schwarzen Hügel, die nach nur wenigen Schritten den Ausblick auf die Lagune mit lauter weißen und blauen Eisbrocken freigeben. Klein sehen sie aus von hier. Da ich etwas weiter weg stehe und es keine Tiere, Boote oder anderes gibt, womit man die Größe vergleichen kann, wirkt es schön, aber nicht so imposant wie später am Tag von einem anderen Aussichtspunkt.
Also geht es zurück in den Mietwagen und weiter über die Brücke, die vor dem Parkplatz den Blick auf die Lagune freigibt und auf der anderen Seite auf das Meer und den Strand, an dem sich die Eisschollen am schwarzen Sandstrand sammeln. Den Diamond Beach, wie er genannt wird, werde ich gleich nach der Lagune besuchen.
Gletscherlagune Jökulsárlón in ganzer Pracht
Bereits beim Einbiegen auf dem Parkplatz sehe ich, dass die Wasserfläche viel größer ist, als es von dem kleinen Hügel aus ausgesehen hat. Man kann bis an den Rand der Lagune laufen, das Wasser berühren und das Eis ist viel näher. Durch den Perspektivenwechsel sieht man: die Eisschollen sind richtige Eisberge!
Es geht einen kleinen Hügel hinauf, von dem man einen weiteren Teil der Lagune erblickt. Wasser und Eis ohne Ende! Hier gibt es auch eine kleine Bank. Da setze ich mich hin und genieße die Ruhe.
Gestern war der erste Tag des Sommers in Island (das ist im April – weil sie hier nach dem alten nordischen Kalender leben, der nur Sommer und Winter kennt). Wie Klaus am Vortag noch sagte: Glück gehabt, üblicherweise schneit es nochmal richtig zum „Sommer“-Anfang. Doch es ist mild, um die 17 Grad. Die Sonne wärmt mein Gesicht und ein laues Lüftchen weht mir um die Nase, während ich hier sitze und die Gespräche der anderen Touristen ausblende. Was gar nicht so schwer ist. Irgendwie schluckt die Luft hier an der Lagune die Geräusche. Es ist so still wie an so vielen Orten in Island. Schwer zu beschreiben, wenn man den konstanten Geräuschpegel in einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland mit Island vergleicht.
Nach zahlreichen Fotos und Videos mache ich mich wieder auf den Weg zurück zum Parkplatz, komme noch an einer Gruppe von Touristen vorbei, die gerade für eine Gletscherhöhlentour ausgerüstet werden, und mache mich auf den kurzen Weg hinüber auf die andere Straßenseite zum Diamond Beach.
Der glitzernde Nachbar der Gletscherlagune: der Diamond Beach
Dort erwartet mich wieder ein grandioser Blick auf die Lagune hinter der Brücke. Darunter fließt das Schmelzwasser des Gletschers mit den Eisbrocken ins Meer.
Das ist es, was die Lagune so besonders macht: Mit dem Meer verbunden, kann das Salzwasser bei Flut in die Lagune strömen. Das hat den Nebeneffekt, dass das Wasser nicht gefriert und die Eisberge schneller schmelzen. Bei Ebbe wiederum werden die abgebrochenen Stücke ins Meer gespült.
Dort bleiben sie aufgrund ihrer Größe und der Strömung oft am Strand liegen. Und der ist schwarz. Die Farbkombination schwarz – weiß mit dem Blau des Meeres und des Himmels ergeben ein besonderes Schauspiel. In der Sonne glitzern die schmelzenden Eisbrocken wie Diamanten in allen Größen auf dem schwarzen Strand.
Die liegen hier überall: auf den Sandbänken weiter draußen, auf der anderen Seite des Flusses und auf meiner Strandseite auf den nächsten paar hundert Metern. Es sind einige Touristen da, ebenso wie an der Lagune eben. Aber es verläuft sich im April – trotz Sommeranfang 😊 – doch einigermaßen, sodass jeder sein Foto bekommt.
Höfn í Hornafirði
Dann mache ich mich auf den Weg, weiter nach Osten. Bis nach Höfn soll es gehen. Die Strecke ist noch verlassener als am Tag zuvor. Und landschaftlich wieder etwas ganz anderes. Man fährt am Fuße des Vatnajökull, aber hier ist es grüner. Wenige winzige Dörfer, oder besser gesagt Siedlungen, durchfahre ich. Aber ich sehe auch Rentiere und Wildpferde in der Landschaft.
Höfn selbst ist ein charmanter kleiner Ort, der heute recht ruhig ist. Ein eisiger Wind pfeift, aber die Sonne lässt den Blick auf die weißen Gipfel des Vatnajökull frei. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, es den Isländern in diesem Urlaub wenigstens einmal gleichzutun: Denn hier gehört der ganzjährige Gang ins beheizte Freibad zum Lebensgefühl. Und was hätte ich für einen Blick vom Pool auf die Landschaft gehabt! Doch trotz gepackter Schwimmtasche habe ich bei -1° C Lufttemperatur gekniffen.
Auf dem Rückweg von dem Tagesausflug ist es diesig, als ich noch einmal an der Gletscherlagune vorbeikomme. Ich kann nicht anders, als noch einmal anzuhalten. Es sollte mein Highlight auf dieser Reise sein.
Die Eisberge der Gletscherlagune im weichen Licht des Nachmittages
Wie in dem Fotobuch meines Gastgebers Klaus zeigen sich die Farben des Wassers und des Eises in anderen Nuancen. Durch den veränderten Stand der Sonne am Nachmittag und durch die Wolken, die nun am Himmel stehen.
Jetzt ist es voller, mehr Touristen. Aber immer noch so still. Unten am Seeufer steigt ein Mann in ein Kajak, ich laufe lieber noch einmal auf den Hügel, von dem ich vorhin so gut sehen konnte. Beim Filmen wundere ich mich über Bewegung im Bild und zoome rein: eine Robbe!
Tatsächlich schwimmt eine einzelne Robbe direkt am Rand der Lagune ihre Runden, beobachtet uns Touristen, wie wir sie filmen. Dann fährt der Mann mit dem Kajak an der Robbe vorbei – und endlich sieht man in welchem Größenverhältnis der Eisberg dahinter steht.
Touri-Facts:
- Die Gletscherlagune liegt knapp 5 Autostunden von der Hauptstadt Reykjavík entfernt (siehe Karte unten).
- Übernachtungsmöglichkeiten direkt bei Jökulsárlón gibt es nicht. Generell ist das Gebiet rund um die Lagune sehr dünn besiedelt. Beste Chancen hat man entweder in Vík (220 Kilometer / circa 2,5 Stunden westlich) oder in Höfn (80 Kilometer / etwas über eine Stunde östlich). Es gibt aber auch in den kleineren Orten dazwischen Ferienwohnungen oder Campingplätze.
- Ich selbst habe in der charmanten Potato Storage in Svínafjell übernachtet und kann es nur wärmstens empfehlen (keine Werbung). Es lag auch ausgezeichnet, um dort am nächsten Tag noch den Svínafellsjökull und den Skaftafell Nationalpark zu besuchen.
- Beliebte Ausflüge von hier: man kann Touren in Gletscherhöhlen buchen, ebenso Bootstouren auf der Lagune (in der Hauptreisezeit ist es empfehlenswert, das vorab zu tun).
Gletscher-Facts:
- Der Name Jökulsárlón setzt sich aus den isländischen Wörtern jökull für Gletscher, á für Fluss und lón für Lagune, sprich „Gletscherflusslagune“, zusammen.
- Der Gletscher heißt Breiðamerkurjökull und ist Teil des Vatnajökull Nationalparks. Der Vatnajökull ist mit über 8.000 Quadratkilometern und 3.000 Kubikmetern der größte Gletscher Islands und Europas!
- Ähnlich wie bei Eisbergen, bei denen der weitaus größere Teil unsichtbar unter der Wasseroberfläche liegt, verhält es sich auch bei Gletschern. Da der Gletschersee mit 284 m der tiefste See Islands ist, hat sich das Eis des Gletschers einmal so tief in den Boden gefressen und Erdmassen verdrängt.
- Bis zu 15 Meter hoch können die im Wasser treibenden Eisberge sein, die der Gletscher kalbt, also abbricht – so hoch wie ein fünfstöckiges Haus!
- Durch das rapide Schmelzen des Gletschers wird der See immer größer: so war er in den 70er Jahren gerade mal 8 Quadratkilometer groß, während heute Zahlen zwischen 18 und 25 Quadratkilometern zu finden sind.
Und noch ein Fun Fact zum Schluss:
Ich habe mich gewundert, dass am Rand der Gletscherlagune tatsächlich Warnschilder stehen, dass das Baden verboten ist. Wer macht das? Immerhin ist das Wasser sehr deutlich eisgekühlt 😉 Die Antwort könnt ihr in diesem Video (am Ende) finden, das ich euch schonmal in meinem Artikel Fjaðrárgljúfur, oder wie ein isländischer Canyon durch einen Popstar weltberühmt wurde verlinkt habe. Wobei ich mir sicher bin: Er war nicht der erste.